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Förderpreis Agrargeschichte 2021

Der Förderpreis Agrargeschichte für die beste akademische Abschlussarbeit mit einem agrargeschichtlichen Fokus wurde 2021 zum siebten Mal vergeben und bezog sich auf Studien der Jahre 2019 und 2020. Es waren ungewöhnlich viele und durchgängig hochwertige Studien eingereicht worden, was davon zeugt, dass Themen- und Fragestellungen zur Agrargeschichte und ländlichen Gesellschaft an deutschsprachigen Universitäten ein erfreulich lebhaftes Interesse finden.

Entsprechend schwer fiel indes die Auswahl. Der Vorstand der GfA entschloss sich daher aufbauend auf Gutachten, den Preis zu teilen. Prämiert wurden zum einen die Masterarbeit von Gunnar Lehmann über „Landschaftswandel in Brandenburg im Kontext sozialistischer und postsozialistischer Transformation“; und zum anderen die Masterarbeit von Katharina Wohlfart zum Thema „Zwischen ländlicher Idylle und weiblicher Professionalisierung. Die Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Lande in Miesbach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“.

 

Aus den Laudationes von Niels Grüne:

Die agrarwissenschaftliche Masterarbeit von Gunnar Lehmann entstand an der Universität Göttingen. Sie analysiert die Interdependenzen von agrarpolitischem Handeln, agrarstrukturellen Entwicklungen und dem Wandel der Kulturlandschaft Ostdeutschlands zwischen 1945 und 2000 – also in einer Phase mehrfacher politischer Umbrüche.

Die ausgefeilte Methodik zielt auf einen multiperspektivischen Zugriff. Zum einen wird eine umfangreiche archivalische Überlieferung herangezogen und qualitativ ausgewertet; zum anderen stützt sich die Studie auf Luftbildaufnahmen und deren Verarbeitung in einem Geografischen Informationssystem, was einen hohen Auflösungsgrad bei der Erfassung von Besitz- und Nutzungsänderungen gestattet. Exemplarisch zusammengeführt werden diese Stränge auf der Mikroebene zweier brandenburgischer Gemeinden: Hohenahlsdorf und Nächst Neuendorf.

Die Untersuchung veranschaulicht zunächst die enorme Prägekraft sachenrechtlicher (eigentums- und besitzrechtlicher) Faktoren, die in den Rahmen sozialistischer und postsozialistischer Agrarpolitik eingebettet und dann in ihren konkreten landschaftsformenden Auswirkungen im lokalen Raum detailliert rekonstruiert werden. Zugleich wird aber deutlich, dass die daraus resultierende generelle Homogenisierungstendenz sich in der kommunalen Sphäre bis zu einem gewissen Grad an machtbasierten Aushandlungsprozessen brach und daher keinen völlig linearen Charakter aufwies. Die erhellende Kombination sozialwissenschaftlicher und hermeneutischer Ansätze im empirischen Mikrokontext erlaubt damit auch Rückschlüsse für politische Strategien im Umgang mit aktuellen agrarischen Herausforderungen und Problemen wie Ökologisierung der Landwirtschaft oder Landgrabbing.

 

Die Studie von Katharina Wohlfart ist eine Abschlussarbeit im Masterstudium Geschichte an der LMU München und widmet sich der Entwicklung der ersten bayerischen Wirtschaftlichen Frauenschule in Miesbach von den Anfängen 1902 bis zu ihrer Gleichschaltung in der NS-Zeit im Jahr 1939.

Der Untersuchung liegt vorwiegend erstmals genutztes Material aus dem Archiv des Berufsschulzentrums Miesbach zugrunde: nicht nur handschriftliche und publizistische Dokumente, sondern als Bildquellen auch Fotoalben ehemaliger Schülerinnen. Auf dieser Basis wird eine kulturgeschichtliche Perspektive entworfen, die Fragen nach der Konstruktion von Geschlechterrollen, Bürgerlichkeit und Ruralität ins Zentrum rückt. Denn ein Charakteristikum der Schule bestand darin, dass sie sich mit einem zunehmend agrarischen hauswirtschaftlichen Lehrangebot primär an junge Frauen aus dem wohlhabenden Bürgertum richtete.

Die Autorin verdeutlicht, dass sich im Leitbild der Schule ein natur- und ländlichkeitsromantischer Konservatismus mit einem Modernitätsprinzip paarte, das vorrangig auf die Professionalisierung weiblicher Arbeit zielte. Dabei überzeugt die Studie allgemein durch einen reflektierten Umgang mit dem Quellenmaterial und der Forschungsliteratur. Hervorzuheben ist ferner der gelungene Versuch, mittels visueller Ego-Dokumente die Selbstsicht der Schülerinnen zu beleuchten und auszuloten, wie sie sich die schulischen Erziehungsideale im Zuge ihrer individuellen Subjektbildung aneigneten. Damit tritt nicht zuletzt das spezifische, zeitgebundene emanzipatorische Potential dieses pädagogischen Milieus zutage.

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