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Förderpreis Agrargeschichte 2016

Der Förderpreises der Gesellschaft für Agrargeschichte für die besten Abschlussarbeiten zu agrarhistorischen Themen in den Jahren 2014/15 ist am 10. Juni 2016 in Dresden an Barbara Wittmann und Daniel Benedikt Stienen verliehen worden. Barbara Wittmann wird ausgezeichnet für ihre Masterarbeit im Fach Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Regensburg zum Thema „Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Stationen und Strukturen der deutschen Geflügelwirtschaft 1948 bis 1980“. Daniel Benedikt Stienen wird ausgezeichnet für seine Masterarbeit im Fach Geschichte an der Humboldt Universität Berlin zum Thema „Großgrundbesitz und nationale Norm. Desintegrative Effekte der Ansiedlungspolitik in Preußens Osten 1886-1908“.

Hier die Laudationes von Stefan Brakensiek

In ihrer Masterarbeit beschreibt Barbara Wittmann den Wandel des Verhält­nisses zwischen Menschen und Nutztieren in den ersten drei Jahr­zehnten nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Haltung von Legehennen. Es geht ihr dabei um zweierlei: Zum einen, wie sich die Haltung der Landwirte in der Geflügelwirtschaft zu ihren Nutztieren veränderte, zum anderen, welchem Wandel die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung der Geflügelhaltung in dieser Zeit unterlag und wie dies wiederum auf die Geflügelhalter zurückwirkte.

Frau Wittmann hat hierzu die Fachzeitschrift des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft untersucht, der als berufsständische Dachorganisation die Interessen der deutschen Geflügelwirtschaft vertritt. Dieses Organ erschien im Zeitraum von 1948 bis 1980 in wöchentlichem Rhythmus.

Für eine erste Phase von 1948 bis 1960 kann Frau Wittmann den Aufbau einer Geflügel­wirtschaft nachzeichnen, die seinerzeit als ein lohnender Geschäfts­zweig gerade für kleinere landwirtschaftliche Betriebe galt. Schon in dieser frühen Phase kam Sorge vor der Konkurrenz durch große Betriebe – nicht zuletzt aus dem Ausland – auf. Überhaupt sah man sich als benachteiligt an – gegenüber der Industrie sowieso, aber auch gegenüber anderen Zweigen der Landwirt­schaft, deren Probleme in der Politik eher Gehör fänden. Steigerung der Produktion aus eigener Kraft war die Devise.

Die agrarwissenschaftliche Forschung versprach Abhilfe durch die Zucht von Hybridhühnern mit erhöhter Legeleistung. Von Seiten der Agrar­wissenschaft wurden überhaupt früh schon Formen der Käfig­haltung auf großen Hühner­farmen nach amerikanischem Vorbild propagiert, was in der Frühphase der Bundesrepublik noch vereinzelte Abwehrreaktionen hervorrief, auch wegen der damit einher­gehenden Veränderungen im Verhältnis des Geflügelhalters zu seinen Tieren. Die zweite Phase von 1960 bis 1972 war dann von einer raschen Durchsetzung dieser „intensiven“ Produktionsverfahren gekennzeichnet. In dieser Zeit ging man allenthalben zur industrialisierten Produktion in immer größer werdenden Betrieben über. Im Zuge dessen gaben viele kleinere Betriebe die Hühnerhaltung ganz auf.

Erkennbar wird der Strukturwandel zur Großproduktion in den untersuchten Organen auch in den Anzeigen der Zulieferindustrie. Die Fachdiskussionen kreisten in dieser Zeit um den Preisverfall für Hühnereier aufgrund von Über­produktion. Der Blick auf das Huhn war rein technischer Natur, Diskussionen um Käfighaltung waren rein wirtschaftlicher Art. Nur ganz vereinzelt wurden Argumente des Tierschutzes aufgegriffen und sofort vehement abgewehrt. Ein interessantes Ergebnis der Zeitschriftenanalyse: Traditionell gehörte die Hühnerhaltung zum Arbeitsbereich der Bäuerinnen, in dem Maße wie sie hohen technischen Aufwand und Kapitaleinsatz erforderte, wurde sie zu einer männlichen Domäne.

Die dritte Phase von 1972 bis 1980 ist vor allem durch die Abwehr gegenüber dem Tierschutz gekennzeichnet. Den Auftakt bildete eine Fernsehsendung von Bernhard Grzimek, in der die mittlerweile übliche Hühnerhaltung in engen Käfigen skandalisiert wurde. Auf wissenschaftlichem Feld entbrannte daraufhin eine Diskussion zwischen Tierzuchtforschung und Verhaltensforschung, die auch in dem Verbandsorgan ihren Widerhall fand. Diese Debatte wurde schon 1973 auch auf politischer Ebene geführt, zunächst lässt sich eine Abwehr­haltung der Landwirtschaftsministerien gegen Tierschutzargumente aus­machen. Verstärkt wurden diese Debatten dann noch im Zuge der Parlamentarisierung der Ökologiebewegung seit Ende der 70er Jahre.

Die Arbeit ermöglicht einen ausgezeichneten Einblick in die Sichtweisen der Agrarwissenschaft, der landwirtschaftlichen Beraterbranche und der Verbands­funktionäre. Entgegen den Erwartungen der Verfasserin äußerten sich die Geflügelhalter selbst nur ausnahmsweise: Deren Haltungen lassen sich oftmals nur indirekt erschließen. Gleichwohl stellt die Masterarbeit von Barbara Wittmann eine bemerkenswerte und eigenständige Forschungsleistung dar.

 

Das gilt auch für den anderen Preisträger Daniel Benedikt Stienen. Seine Masterarbeit „Großgrundbesitz und nationale Norm“ beschäftigt sich mit dem deutsch-polnischem „Kampf um den Boden“; der Nationalisierung des Boden­marktes im östlichen Preußen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Mit einer Kombination aus verwaltungs- und emotionsgeschichtlichen Ansätzen wird das Verhältnis zwischen preußischer Regierung und den deutschen Großgrund­besitzern in den Jahren 1886 bis 1908 in den Provinzen West­preußen und Posen analysiert. Untersuchungsgegenstände sind die verwaltungsinterne Kommunikation, Bittgesuche der Grundbesitzer sowie Verhandlungsstrategien auf dem Bodenmarkt. Als Quellengrundlage dient die preußische Verwaltungs­überlieferung.

Herr Stienen kann zeigen, dass die preußische Regierung aus nationalpoliti­schen Gründen bevorzugt auf das polnische Angebot zurückgriff und den Ankauf von deutschen Besitzungen möglichst vermied. Damit ging die Ankauf­politik an den Erwartungen der deutschen Großgrundbesitzer vorbei, die oftmals hoch­verschuldet waren und sich vom Verkauf eine Besserung ihrer finanziellen Lage erhofften. Enttäuscht kooperierten die deutschen Gutsbesitzer mit polnischen Güterhändlern, wogegen sich der Staat mit moralischen Mitteln zu wehren suchte.

Die Arbeit gelangt zu dem Ergebnis, dass die gegen die polnische Minderheit gerichtete Siedlungspolitik in den Provinzen Westpreußen und Posen auch deswegen scheiterte, weil es der Regierung nicht gelang, die Ziele ihrer Politik mit den Bedürfnissen der deutschen Großgrundbesitzer in Einklang zu bringen.

Es handelt sich bei der Studie von Herrn Stienen um eine in konzeptioneller und methodischer Hinsicht höchst anspruchsvolle Masterarbeit. Zielsetzung und Methode sind klar und schlüssig formuliert, die Ergebnisse beruhen auf einer sorgfältigen Auswertung umfangreicher Quellenbestände. Der emotions­geschichtliche Ansatz ist für eine Arbeit, die vor allem auf der Überlieferung von Verwaltungsschriftgut basiert, ausgesprochen originell.

Herzlichen Glückwunsch!

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